Im Herbst des Krisenjahres 1923 schlugen die Separatisten los – sie wollten eine Rheinische Republik, losgelöst vom Reich und von Preußen. Wenn nötig mit Waffengewalt.
Reichskanzler Stresemann hatte am 26. September den passiven Widerstand abgebrochen. Angesichts der verheerenden Folgen war keine Wahl geblieben. Was sollte nun aus den besetzten Gebieten werden?
Die Situation im Rheinland
Monatelang hatten die Menschen an Rhein und Ruhr gekämpft, Entbehrungen ertragen und dem zermürbenden Druck standgehalten. Und nun sah es so aus, als wäre alles umsonst gewesen. Kein einziger ausländischer Soldat war abgezogen. Schon sprachen die Rechten, und nicht nur sie, von der „Kapitulation an der Ruhr“.
Verschärfung der Notlage
Der Abbruch verschärfte die Lage noch einmal. Viele Betriebe hatten längst schließen müssen. Andere hatte man während des passiven Widerstands mit Reichskrediten über Wasser gehalten hatte, nun mussten auch sie schließen. Kaum jemand hatte Arbeit, und bei der verheerenden Inflation waren die Löhne schon am Abend des Zahltags nichts mehr wert. Die Unterstützung für Erwerbslose reichte kaum zum Leben – sofern die Händler und Bauern das fast wertlose Papiergeld überhaupt noch annahmen.
In den nächsten Tagen, am 15. November, sollte eine neue, gesunde Währung im Reich eingeführt werden, die Rentenmark. Nicht aber in den besetzten Gebieten. Schlimmer noch, in Berlin dachte man ernsthaft darüber nach, die Verantwortung für die besetzten Gebiete den Alliierten zu übertragen und das Rheinland „versacken“ zu lassen.
Verhandeln mit Frankreich?
Aus Sicht des Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer musste man immer wieder versuchen, in Verhandlungen mit Frankreich eine Lösung zu finden, die dem Rheinland helfen und Frankreich Sicherheit geben würde. Die Reichsregierung gestattete ihm und politischen Vertretern des Rheinlandes direkten Verhandlungen mit dem französischen Hochkommissar und Präsidenten der Rheinlandkommission, Paul Tirard. Doch Adenauer sprach nicht für die Reichsregierung, und Frankreich beharrte auf einer Abtrennung einer Rheinischen Republik vom Reich. Adenauers Hoffnungen zerschlugen sich.
Die Stunde der Separatisten?
Am 15. August 1923 hatten sich die separatistischen Parteien um Dorten, Smeets mit Joseph Friedrich Matthes und seinem „Rheinischen Unabhängigkeitsbund“ zur „Vereinigten Rheinischen Bewegung“ zusammengeschlossen. Matthes, nun Vorsitzender, war ein Journalist und Politiker aus Süddeutschland und erst im April 1923 nach Düsseldorf gekommen.
Nun sahen die Separatisten ihre Stunde gekommen. Sie wollten eine Rheinische Republik außerhalb des Reichsverbandes errichten, durchaus mit Waffengewalt.
„Düsseldorfer Blutsonntag“
Am 30. September 1923 zogen Tausende Separatisten durch Düsseldorf. Doch kein Düsseldorfer war auf der Straße, alle Vorhänge waren zugezogen und alle Türen verschlossen. Die Mehrheit wollte keine Rheinische Republik unter dem Protektorat Frankreichs. Dann fielen Schüsse, die Lage eskalierte, und französisches Militär kam den Separatisten zu Hilfe. Mindestens 10 Personen wurden getötet und 150 verletzt. Wenig später verurteilten französische Militärgerichte Düsseldorfer Polizisten zu langen Haftstrafen.
Separatistenputsche
Jetzt konnten die Separatisten davon ausgehen, dass französisches Militär sie stützte. Am 21. Oktober besetzten sie Aachen, am 24. Oktober Bonn, am 25. Oktober Koblenz.
Im Koblenzer Schloss bildeten sie eine „Vorläufige Regierung der Rheinischen Republik“ mit Matthes an der Spitze. Einen Tag später erkannte Tirard das Kabinett Matthes als legitime Regierung in der Region an.
Am 25. Oktober rückte eine Gruppe überwiegend ortsfremder Separatisten in Königswinter ein, besetzte mit Waffengewalt das Rathaus und drangsalierte die Bürger – das alles unter dem Schutz der französischen Soldaten. Auf dem Marktplatz gab es eine Schießerei, dann wehte die grün-weiß-rote Fahne der „Rheinischen Republik“ vom Rathaus.
Rheinlandschutztruppen
Die „Vorläufige Regierung der Rheinischen Republik“ in Koblenz stellte eigene „Rheinland-Schutztruppen“ auf, denen sich unterschiedliche Personen aus unterschiedlichen Gründen anschlossen. Manche traten sehr dreist auf und verlangten in hochfahrender Weise nach allem, was sie brauchen konnten. Einige waren schlichtweg kriminell. Andere waren Ausgewiesene, arbeitslos, ohne jegliches Einkommen, und ohne Zuhause. Jahre der Not und Ausweglosigkeit ließen manchen nach jedem Strohhalm greifen, der ein wenig Lohn und Brot versprach.
„Requirierungen“
Die Situation spitzte sich zu, als die „Vorläufige Regierung“ in Koblenz in die Krise geriet. Sie konnte ihre Männer nicht organisieren, nicht bezahlen und nicht ordentlich versorgen. Nun zogen bewaffnete und motorisierte Separatisten durch Städte und Dörfer und „requirierten“ Sachgüter und Lebensmittel in einem Ausmaß, das weit über ihren Bedarf hinausging.
Diese Plünderungen prägen das Bild, das die Menschen in unserer Region von den Separatisten hatten. Sie bildeten „Heimwehren“, also organisierten, bewaffneten Selbstschutz: drohte Gefahr, wurden sie durch Werkssirenen und Alarmglocken mobilisiert.
Separatisten und Rheinische Republik, zum Weiterlesen
Wikipedia, Rheinische Republik
Bei www.aegidienberg.de gibt es einen Menüpunkt Historisches > Separatisten
Historische Zeitungsartikel aus der Umgebung von Aegidienberg
Weimarer Republik
Revolutions- und Putschjahre | Das Krisenjahr 1923 | Das Krisenjahr 1923 in Bildern | Separatisten und Rheinische Republik | „Separatistenschlacht“ im Siebengebirge | Aufschwung und Stabilisierung | Die Republik zerfällt
Hinterlasse jetzt einen Kommentar