Ritter

Aus der Manessischen Liederhandschrift
Aus der Manessischen Liederhandschrift

Ritter – da denken wir an Sir Lancelot, König Artus und die Ritter der Tafelrunde, jene mutigen, gewandten Kämpfer zu Pferde, die auch im Kampf noch fair bleiben und die Schwachen gegen Übergriffe der Mächtigen beschützen.

„What man is a man if he does not make the world better?“
„Was für ein Mann ist ein Mann, wenn er die Welt nicht bessert?“

Balian von Ibelin in „Königreich der Himmel“

Damit haben wir den Begriff des Ritters schon eingegrenzt auf seine Bedeutung im hohen Mittelalter, der Zeit von König Richard I. Löwenherz von England und seinen treuen Gefährten Robin Hood und Ritter Ivanhoe.

Zugegeben, die beiden letztgenannten sind legendäre Gestalten und der wirkliche Richard hatte nicht nur gute Seiten. Doch sie alle verkörpern das Ideal der Ritterlichkeit jener Zeit, so wie Sultan Saladin auf der Gegenseite. Auch Balian von Ibelin und sein Vater aus „Königreich der Himmel“ sind wahre Ritter.

Vom berittenen Reiter zum Ritter

Ursprünglich war ein „Ritter“ nur ein bewaffneter Reiter, ein Berufskrieger. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts waren die Hauptfeinde des Reiches Sarazenen, Wikinger und vor allem ungarischen Reiterhorden, die immer wieder überraschend zuschlugen. Als das Ostfränkische Reich in großer Gefahr schwebte, hatte König Heinrich I. (919-936) die Landesverteidigung aufgebaut und dazu jeden neunten Bauern heranzogen. So war es ihm schließlich gelungen, die Ungarn in die Flucht zu schlagen. Doch war ihm und den anderen Fürsten klar, dass ihr Reich auf Dauer so nicht zu verteidigen war, deshalb bauten sie Truppen aus gut trainierten, berittenen Berufskriegern auf.

Auch im Inneren des Reiches brauchten die geistlichen und weltlichen Fürsten bewaffnete und gut trainierte Berufskrieger zum Schutz ihrer Ländereien und Rechte. Am Rhein galt das besonders für das Zollrecht, auch das Vogteirecht über Klöster war begehrt und umkämpft. Diese Berufskrieger waren oft nachgeborene, also nicht erbberechtigte Söhne alter Adelsfamilien, und hatten wenig andere Möglichkeiten ihren Lebensunterhalt zu verdienen. So etablierte sich der Schwertadel“ (*), doch besonders respektiert wurde er nicht.

Der christliche Ritter

Erst im späten 11. Jahrhundert wandelte sich das Bild. Französische Ritter hatten im Auftrag der Geistlichkeit Friedensbrecher verfolgt, sie hatten also ihr Schwert in den Dienst einer guten Sache gestellt und erfuhren nun eine Aufwertung ihres Standes. Jetzt waren sie nicht mehr die berittenen Berufskrieger, die eine nötige, aber wenig respektierte Arbeit verrichteten, sondern geachtete Mitglieder der Gesellschaft.

Das Ideal des christlichen Ritters kam auf und begründete eine neue Ritterkultur, die sich von Frankreich aus über ganz Europa verbreitete. Ob Franzose, Normanne, Sachse, Flame, Deutscher, Ungar oder Italiener – über Landesgrenzen und Nationalitäten hinweg glaubten die Angehörigen des Ritterstandes an dieselben Dinge, folgten denselben Regeln und fühlten einander zugehörig. Der christliche Ritter musste sich im Kampf auszeichnen, aber genau durch geziemendes „höfliches“ Verhalten am Hof. Vor allem musste er das Christentum auch leben und die Schwachen schützen. Das ist die Welt von Ivanhoe, von Robin Hood und Balian von Ibelin.

Erst nach einer langen Erziehung wurde man zum Ritter geschlagen. Die Söhne der Adelsfamilien lernten schon früh Reiten, Jagen und den Gebrauch der Waffen, selten lernten sie auch Lesen und Schreiben. Dann kamen die Jungen zu befreundeten Familien oder gar an den Hof eines Fürsten, wo sie Fremdsprachen und auch gutes Benehmen lernten. Mit vierzehn Jahren wurden sie „Knappen“ und folgten als Waffenträger ihrem Herrn zum Turnier oder in den Krieg. Wenn die Knappen erwachsen waren und sich bewährt hatten, konnten sie zum Ritter geschlagen werden. Dieser große Tag hieß „Schwerleite“(Schwertumgürtung).

Höfische Kultur

Mit dem Rittertum verbreitete sich eine höfische Kultur. In jener „höfischen Zeit“ entstanden Heldenepen wie das Nibelungenlied, höfische Romane wie Wolfram von Eschenbachs Parzival und Willehalm sowie Hartmann von Aues Erec und Iwein. Die höfische Literatur nahm ältere Themen auf, z.B. die Sage um König Artus und die Ritter der Tafelrunde, und zeichnete das Bild eines idealen Ritters. Im Nibelungenlied geschieht dies freilich auf eine düstere Weise – hier sind es die Helden, welche ritterlichen Tugenden vermissen lassen, und am Ende ein schreckliches Ende finden.

Schon Ende des 11. Jahrhunderts war das „Rolandslied“ entstanden. Sein Held, Roland, hatte die die Nachhut der Truppen Karls des Großen während des Feldzugs gegen die Sarazenen in Spanien angeführt. Auf dem Rückweg durch unwegsames Berggelände war die Truppe in einen Hinterhalt der Sarazenen geraten, die Nachhut abgedrängt und bis auf den letzten Mann getötet worden. Zwar gibt das „Rolandslied“ die historische Wahrheit nicht wieder; doch das Grundmotiv des heldenhaften Kampfes christlicher Ritter gegen die „Ungläubigen“ prägte das Selbstverständnis der Ritterschaft in den kommenden Jahrhunderten.

Ritterorden und Kreuzzüge

Als 1095 der byzantinische Kaiser Alexios I. Komnenos (1081-1118) um Waffenhilfe gegen die türkischen Seldschuken bat, hoffte er wohl auf eine Söldnertruppe, die seinem Befehl unterstellt würde. Papst Urban II. nahm sich der Sache an, gab ihr aber eine andere Wendung: 1095 in Clermont forderte er die französischen Ritter auf, nach Palästina zu ziehen und die heiligen Stätten der Christenheit zurückzuerobern. Den Kreuzfahrern wären ihre Sünden vergeben, versprach er, und wer unterwegs starb, sollte sofort ins „himmlische Jerusalem“, ins Himmelreich kommen. Er fand begeisterte Zustimmung, nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa.

Überzeugt, dass der Kampf gegen die „Ungläubigen“ ihre Ritterpflicht sei – „Gott will es“ – nahmen viele Ritter das Kreuz. Noch deutlicher wurde Bernhard von Clairvaux, der große Zisterziensermönch und Ideologe des zweiten Kreuzzugs. Er hat die Tempelritter als christliche Ritter hoch gelobt und auch die Tötung von „Ungläubigen“ ausdrücklich gerechtfertigt. Das galt jedoch nicht für weltliche Ritter, denen es nur um Macht und Reichtum galt.

1099 hatten die Kreuzfahrer Jerusalem blutig erobert, danach hatten die Kreuzfahrer Staaten gegründet. Die Grafschaft Edessa, das Fürstentum Antiochia, das Königreich Jerusalem und die Grafschaft Tripolis enstanden. Doch diese Staaten waren ständig in Gefahr und mussten verteidigt werden, dazu brauchte man gut trainierte Kämpfer – Elitetruppen, die auf Dauer im Heiligen Land blieben. Doch viele Kreuzfahrer zog es zurück.

Nun kam die Zeit der Ritterorden, der Templer (Gründung 1118/1120), der Johanniter (Gründung 1120-1154) und des Deutscher Ordens (Gründung 1190). Sie verbanden zwei mittelalterlichen Ideale: das des christlichen Ritters und des Mönchs, der in Armut und Keuschheit dem Nächsten dient. Die Templer trugen einen roten Waffenrock mit weißen Kreuz, die Johanniter einen schwarzen mit weißem Kreuz, und die Ritter des Deutschen Ordens einen weißen Waffenrock mit schwarzen Kreuz. Im Codex Manesse ist der Minnesänger Tannhäuser in der Tracht des Deutschen Ordens abgebildet.

Ritterturnier

In Friedenszeiten gab es Turniere, ritterliche Kampfspiele – freilich nur für Adlige. Der Sieger hatte Anrecht auf Pferd und Ausrüstung des Gegners; auch wenn es als unritterlich galt, darauf zu bestehen. Eines der ersten und zugleich größten Ritterspektakel in Deutschland war das Mainzer Hoffest von 1184, auf dem die beiden ältesten Söhne des Kaisers Friedrich I. Barbarossa zu Rittern geschlagen wurden. Der steirische Adlige und Minnesänger Ulrich von Liechtenstein kämpfte auf vielen Turnieren zu Ehren seiner Dame. Neben der Lanze hatten die Ritter vor allem ihr Schwert und einen Dolch.

Ein staufischer Ritter trug ein Kettenhemd und darüber einen Waffenrock, der Kopf wurde durch einen Helm, oft ein „Topfhelm“, geschützt.

Die Plattenrüstungen, wie sie in der Schlacht bei Azincourt im Hundertjährigen Krieg getragen wurden, kamen erst im Spätmittelalter. Zu dieser Zeit trugen die vornehmen Damen auf der Tribüne einen Hennin, einen sehr aufwendigen Hut. Adelheid, die Ehefrau des Burggrafen Godart vom Drachenfels, fuhr gerne zum Ritterturnier nach Köln, und der Ausflug verschlang Unsummen. Irgendwann zwischen 1457 und 1469, fand unter den Grafen von Nassau das einzige bezeugte Turnier auf der Löwenburg statt. Da war die Zeit der Ritter fast schon vorbei.

Der Niedergang des Rittertums

Im Heiligen Land zeichnete sich das Ende der Kreuzfahrerstaaten ab, nachdem Jerusalem schon 1244 von den türkischen Choresmiern erobert worden war. Mit den ägyptischen Mamlucken stand den zerstrittenen Kreuzrittern ein Feind gegenüber, dem sie auf Dauer nicht mehr gewachsen waren. Eine Festung nach der anderen fiel unter dem Ansturm der Mamlucken, zuletzt war nur noch Akkon in der Hand der Kreuzfahrer. Erst im letzten Moment begruben Johanniter und Templer ihren Streit und verteidigten Akkon gemeinsam; doch gegen die gewaltige Übermacht der Mamlucken unterlagen sie und mussten aufgeben.

So zogen die letzten Kreuzritter zurück in eine abendländische Welt, die vielen von ihnen fremd geworden sein dürfte. Die Ritter des Deutschen Orden fanden im Baltikum, die Johanniter-Ritter auf der Insel Rhodos neue Aufgaben für sich. Die Templer hingegen, überwiegend französische Ritter, wollten zurück nach Frankreich. Doch in Frankreichs König Philipp IV. „der Schöne“ hatten sie einen tödlichen Feind; 307 ließ er alle Templer als Ketzer verhaften und später hinrichten.

Ritter gegen Söldner

Auch militärisch hatte sich viel geändert. Söldner verstärkten die Heere im deutschen Thronstreit, und Papst Gregor IX. ließ sogar eine Söldnerarmee im Königreich Sizilien einfallen, während Kaiser Friedrich II. auf Kreuzzug war! Die Söldner hatten eine fürchterliche Waffe: die Armbrust, und konnten mit einem Pfeil auf über 100 m Entfernung töten. Richard I. Löwenherz wurde durch einen Armbrustpfeil tödlich getroffen. Immer neues Kriegsgerät wurde entwickelt, und die Schlachten wurden zunehmend vom Fußvolk mit seinen Armbrüsten und Langbögen entschieden. Die Schlacht von Mühldorf am Inn 1322 zwischen Ludwig IX: „dem Bayern“ und Friedrich „dem Schönen“ von Habsburg um den deutschen Thron galt als letzte Ritterschlacht.

Viele Gemeine verdingten sich das Söldner, Landsknechte, und so war man auf die Ritterschaft nicht mehr angewiesen. Burgen wurden mit dicken Mauern umgeben, doch bald kamen erste Feuerwaffen auf, und dem neuzeitlichen Kriegsgerät konnten die Burgen nicht standhalten.

Viele Ritter kamen mit dieser veränderten Situation nicht zurecht. Im späten Mittelalter verfiel das Rittertum, das Raubrittertum kam auf.

Bild- und Quellenachweis

Den Ausdruck „Schwertadel“ habe ich von Hans-Joachim Behr übernommen.
Dichtung und höfische Kunst des 12. und 13. Jahrhunderts, im Teil „Essays“ des Katalogs zur Ausstellung „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“, 29. Ausstellung des Europarates in Magdeburg und Berlin und Landesausstellung Sachsen-Anhalt, herausgegeben von Matthias Puhle und Claus-Peter Hasse, Dresden 2006.

Die Bilder stammen aus der Public Domain Section der Wikipedia.

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