Die ersten Jahre der Weimarer Republik von 1919-1923 gelten als Revolutions- und Putschjahre. Es waren Jahre großer Not. Täglich starben hunderte Menschen an Unterernährung, Tuberkulose oder anderen Krankheiten.
Hunger und Not
Viele standen stundenlang Schlange vor Lebensmittelläden und an den Armenküchen, und oft führte der Kampf ums nackte Überleben in die Kriminalität.
Viele Familien hatten jemanden verloren, und immer mehr invalide Männer kamen nun in die Heimat zurück. Auf den Straßen und Wegen sah man Männer, denen Gesichtspartien fehlten, und Männer ohne Arme oder ohne Beine, die sich mithilfe eines Holzwägelchens mühsam fortbewegten. Prothesen gab es erst nach und nach. So viele Männer waren traumatisiert und zitterten unkontrolliert am ganzen Leib, nachdem sie die Detonation einer Granate erlebt hatten. „Nervenschock“ sagte man dazu, doch die wenigsten bekamen eine angemessene Therapie. Was der Krieg in den Seelen der Soldaten angerichtet hatte, mochte man sich kaum ausmalen.
Die Nationalversammlung
Bei der Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 durften zum ersten Mal auch Frauen wählen und gewählt werden. Doch die Wahl wurde von schweren Kämpfen in Berlin überschattet. Regierungsmitglied Gustav Noske ließ den Militärs freie Hand. An Freikorpshelmen tauchten Hakenkreuze auf.
Die SPD wurde zwar stärkste Fraktion, verfehlte aber die absolute Mehrheit und schloss sich mit dem Zentrum, der Bayrische Volkspartei (BVP) und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) zur „Weimarer Koalition“ zusammen. In der Opposition waren die USPD und die KPD, die gemäßigt-konservative Deutsche Volkspartei (DVP) unter Dr. Gustav Stresemann und die weit rechts stehende Deutschnationale Volkspartei (DNVP).
Am 6. Februar 1919 kam die Nationalversammlung in Weimar zusammen, denn in Berlin tobten weiter Kämpfe. Friedrich Ebert wurde am 11. Februar 1919 zum Reichspräsidenten gewählt. Dann übergab der Rat der Volksbeauftragten, die Revolutionsregierung, seine Amtsgewalt an die Regierung Philipp Scheidemann. Zum ersten Mal überhaupt hatte Deutschland eine demokratisch legitimierte Regierung.
Was wird aus Preußen?
Im besetzen Rheinland dachten viele über eine Zukunft außerhalb Preußens nach, andere waren offen separatistisch. Doch nicht nur im Rheinland diskutierte man über die Zukunft Preußens. Politiker der Linken und der Mitte fürchteten, dass die preußische Dominanz, die das Kaiserreich geprägt hatte, eine zu schwere Belastung für die junge Republik sein würde. Anders dachten die Sozialdemokraten um Otto Braun, sie wollten Preußen erhalten und demokratisch neu gestalten, damit es als größtes Bundesland die junge Republik stützen konnte. „Das neue, das demokratische Preußen soll man nicht zerschlagen“, sagte Braun.
Versailler Friedensvertrag
Seit dem 19. Januar 1919 tagten die Sieger des Ersten Weltkriegs in Versailles. Am 7. Mai 1919 übergaben sie der deutschen Delegation die Friedensbedingungen. Deutschland musste 1/8 seines Gebiets abtreten, u.a. Elsass-Lothringen und alle Kolonien, seine Truppenstärke reduzieren, Reparationen in noch nicht bezifferter Höhe zahlen und dazu den Kaiser, hohe Politiker und Militärs als Kriegsverbrecher ausliefern. Artikel 231 übertrug Deutschland die alleinige Schuld am Krieg und die Verantwortung für alle entstandenen Schäden.
Die Delegation in Versailles, die Regierung und die Menschen waren empört und verzweifelt, und das Kabinett Scheidemann trat aus Protest zurück,. Doch die Alliierten waren zu keinen Verhandlungen bereit, sondern drohten, den Krieg fortzusetzen. Nach heftigen Debatten wurde der Vertrag am 28. Juni 1919 unterschrieben.
Die „Dolchstoßlegende“
Während sich die demokratischen Politiker empört und verzweifelt dem militärischen Druck der Alliierten beugten, wälzen die ehemaligen Chefs der Obersten Heeresleitung die Verantwortung für die Niederlage und ihre bitteren Folgen von sich ab.
Ihr mächtigstes Instrument wurde die „Dolchstoßlegende“. Mitte 1919 klagte General Erich Ludendorff im Gespräch mit einem englischen General über die mangelnde Unterstützung im letzten Kriegsjahr. „Meinen Sie, dass Sie von hinten erdolcht wurden?“ fragte der englische General nach. Ludendorff erkannte gleich das politische Dynamit in dieser Formulierung und griff sie auf: „Ja, genau das. Man hat uns einen Dolchstoß in den Rücken versetzt.“ Vor einem Ausschuss der Nationalversammlung sprach Paul von Hindenburg am 18. November von einer „heimlichen, planmäßigen Zersetzung von Flotte und Heer“.
Die böse Saat ging auf. Immer mehr wurden die harten, als demütigend empfundenen Bedingungen des Versailler Vertrags den demokratischen Politikern angelastet, nicht den kaiserlichen Militärs.
Weimarer Verfassung
Am 11. August trat die Verfassung in Kraft. Sie galt als die freieste der Welt, denn sie verankerte die Grundrechte und kannte keinen Extremistenerlass und keine Parteienverbote. Doch so gab sie auch ihren geschworenen Feinden alle Rechte und Möglichkeiten. Der Reichspräsident, vom Volk für sieben Jahre direkt gewählt, hatte eine sehr starke Stellung: Er ernannte und entließ den Reichskanzler und die Minister, er konnte den Reichstag auflösen und hatte den Oberbefehl über die Reichswehr.
Darüber hinaus konnte er nach Artikel 48 in Krisenzeiten Notverordnungen erlassen. Der Reichstag, für vier Jahre in allgemeiner, gleicher, direkter und geheimer Wahl gewählt, hatte den Auftrag zur Gesetzgebung und das Budgetrecht, ihm war die Reichsregierung verantwortlich. Anders als heute galt ein reines Verhältniswahlrecht, zudem gab es Volksentscheide oder Volksbegehren auf Reichsebene. Die Länder waren im Reichsrat vertreten. Zum ersten Mal wehte Schwarz-Rot-Gold als Nationalflagge.
„Ein Bollwerk der Demokratie“
Gustav Stresemann über den Freistaat Preußen
Freistaat Preußen
Am 30. November 1919 beschloss die preußische Landesversammlung die Verfassung des Freistaates Preußen. Der Landtag wurde in allgemeiner, freier und geheimer Wahl gewählt. Das Staatsministerium war die oberste und leitende Behörde, es bestand aus dem Ministerpräsidenten mit Richtlinienkompetenz und den Staatsministern. Doch anders als im Kaiserreich war der preußische Ministerpräsident nicht mehr in Personalunion Reichskanzler. Die preußischen Provinzen waren im Staatsrat vertreten, dessen Präsident von 1920 bis 1933 der Kölner Oberbürgermeister Dr. Konrad Adenauer war.
Kapp-Lüttwitz-Putsch
Nach dem Versailler Vertrags mussten rund 300.000 Soldaten der Reichswehr und alle Soldaten der Freikorps entlassen werden. Vor allem die Freikorps fühlten sich von der Weimarer Regierung verraten, denn in ihrem Auftrag hatten sie gekämpft und Aufstände niedergeschlagen.
Als auch die Einheit des Korvettenkapitans Hermann Ehrhardt aufgelöst werden sollte, kam es zum Putsch. Am späten Abend des 12. März 1920 marschierten Kapitän Ehrhardt und General Lüttwitz mit ihren Truppen in Berlin ein, um die Regierung zu stürzen. Ihr Kanzler war der stramm rechtsstehende Landschaftsdirektor Kapp. Verteidigungsminister Noske wollte die Reichswehr einsetzen, doch der Chef der Truppenamtes, General von Seeckt, lehnte ab mit den Worten: „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr“.
Da auch Reichspräsident Ebert Blutvergießen vermeiden wollte, floh die Reichsregierung nach Stuttgart. Sie rief zum Generalstreik auf, und überall im Land traten Menschen in Streik und protestierten gegen den Putsch. In Berlin nahmen weder die Regierungsbeamten noch die Reichsbank von Kapp Weisungen entgegen. So brach der Putsch schon nach vier Tagen zusammen. Noske musste seinen Posten räumen, und mit ihm trat der republiktreue Chef der Heeresleitung zurück. Die Putschisten fanden milde Richter.
Rote Ruhrarmee
Im Ruhrgebiet, das seit 1919 nicht zur Ruhe gekommen war, wurde aus dem Generalstreik ein Flächenbrand. Eine 50.000 Mann starke „Rote Ruhrarmee“ sammelte sich und eroberte, unterstützt durch einen Bergarbeiterstreik, das ganze Ruhrgebiet. Es war der größte bewaffnete Aufstand in der deutschen Geschichte.
Der preußische Innenminister Severing (SPD) handelte ein Abkommen aus. Doch dann verstrich ein Ultimatum der Reichsregierung, daraufhin schlugen Reichswehrtruppen und Freikorps den Aufstand blutig nieder. Tausende von kämpfenden Arbeitern, aber auch Frauen und Unbeteiligte wurden zusammengeschossen, sogar Verletzte, Gefangene und Krankenschwestern.
Die schlimmen Ereignisse hinterließen tiefe Spuren. Bei der Reichstagswahl im Juni 1920 verlor die Weimarer Koalition ihre Mehrheit. Die SPD brach ein, viele ihrer Anhänger stimmten nun für die Unabhängigen Sozialdemokraten, die USPD. Die nächsten Kabinette sollten nicht länger als einige Monate im Amt sein.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar