Ketzerprozess gegen Graf Heinrich III. von Sayn

Konrad von Marburg, Burgruine Löwenburg
Konrad von Marburg, Burgruine Löwenburg

Graf Heinrich III. von Sayn, Herr der Löwenburg, war ein im Rheinland hochgeachteter Fürst, und ein mutiger Mann. Ihm gehörten mehrere  Burgen, er war Schirmvogt des Bonner Cassius-Stifts und Vogt des Kölner Domstifts.

Mit seiner Gattin Mechthild hatte er Klöster gegründet. Und doch wäre er fast als Ketzer verurteilt worden.

Die Inquisition

Rheinland, 1233. Das hohe Mittelalter zur Zeit der Staufer war von großen Gegensätzen geprägt: höfischer Glanz, Minnesang und Burgenbauten auf der einen Seite, bittere Armut, Krankheiten und oft genug das Recht des Stärkeren auf der anderen. Die christliche Kirche führte Kreuzzüge gegen Christen.

Seit 1209/1210 tobte der Krieg gegen die Katharer in Südfrankreich. In Norddeutschland führte das Erzbistum Bremen Krieg gegen die Stedinger-Bauern. In Deutschland regierte der Heinrich (VII.),  der Sohn Friedrichs II., doch nie auf Augenhöhe mit seinem Vater oder gar selbständig, deshalb steht die (VII.) in Klammern. Vor allem billigte Kaiser Friedrich II. die Politik seines Sohnes nicht.

25. Juli 1233, im Dom zu Mainz

Eine Vielzahl weltlicher und geistliche Fürsten, unter ihnen König Heinrich (VII.), war im Dom zu Mainz zu einer Gerichtsverhandlung zusammengekommen. Vor Gericht stand Graf Heinrich III. von Sayn. Die Anklage lautete auf Ketzerei, überführte Ketzer starben auf dem Scheiterhaufen, und so kam schon die Anklage einem Todesurteil gleich.  Der Ankläger war Magister Konrad von Marburg, ein fanatischer, gnadenloser Mönch, der mit nahezu unbegrenzten Vollmachten ausgestattet war. Es sah nicht gut aus für Grafen Heinrich. Wie war es dazu gekommen?

Ketzerei

Als Ketzerei bezeichnete man das Zweifeln an oder gar das Leugnen von Dogmen der römisch-katholischen Kirche. Vieles war geschehen, was die Menschen an der Amtskirche zweifeln ließ. Da war die Selbstsucht und die Machtgier der hohen Geistlichkeit, die im krassen Gegensatz zum Elend vieler Menschen stand. Die Kreuzzüge hatten den Kontakt zu anderen Religionen, Kulturen und Lebenssitten gebracht.

In diesem geistig regen Klima fanden sich Menschen zusammen, die ein alternatives Christentum leben wollten. Die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner wurden gegründet. Sie verschrieben sich dem Ideal der Armut und damit einem ganz anderen Leben als die hohe Geistlichkeit, doch sie stellten nie die Autorität des Papstes in Frage. Die Amtskirche wiederum bestätigte nicht nur die Regeln beider Orden, sondern band sie in ihre Strukturen ein, gerade die Bettelorden der Dominikaner und Franziskaner trugen die Inquisition.

Ganz anders lag der Fall bei den alternativen Christen in Frankreich, den Katharern und Waldensern. Ihr Christentum unterschied sich in vielem von dem römisch-katholischen, und „sie verstanden sich ausdrücklich als Gegenkirche und Gegengesellschaft“ (Bayerischer Rundfunk). Damit stellten sie die traditionellen Pflichtbindungen der Amtskirche und der Staatsgewalt gegenüber in Frage. Aufstände in Flandern und Nordfrankreich drohten die öffentliche Ordnung zu untergraben.

Die Inquisition

Bis zur zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurden die beschuldigten Personen von der Kirche gebannt, was oft eine strafrechtliche Verfolgung nach sich zog. Doch dann verlangten Erzbischöfe und weltliche Fürsten weitergehende Maßnahmen.

Auf dem IV. Laterankonzil 1215 wurde unter Papst Innozenz III. (1198-1216) eine päpstliche Behörde zur Bekämpfung der Ketzer eingesetzt,  die Inquisition. Innozenz III., ein hervorragender Jurist, erließ zugleich eine Prozessordnung: Dreimal musste versucht werden, den Beschuldigten durch Belehrungen zur Umkehr zu bewegen; erst wenn dies gescheitert war, wurde er aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen und an ein weltliches Gericht überstellt, welches dann das Todesurteil fällte. Dem Beschuldigten mussten die Anklagepunkte und vor allem die Namen der Zeugen genannt werden, damit er sich verteidigen konnte und Verleumdung und falsches Zeugnis von vornherein ausgeschlossen wurden.

Mit der Umsetzung wurden die Bischöfe in ihren Diözesen betraut. Doch bald waren die damit betrauten Geistlichen überfordert, und man begann, „hauptberufliche“ Inquisitoren einzusetzen.

Die weltlichen Gesetze

Auch die Staatsmacht griff durch. Kaiser Friedrich II. sah seine Ordnung und die Autorität seiner gesamten Staatsregierung gefährdet. Bereits 1220 hatte er die „Constitutio in Basilica Beati Petri das weltliche Pendant zu den Ketzergesetzen des IV. Laterankonzils verfügt. Im Jahre 1224 erließ er ein Gesetz gegen die Ketzer in der Lombardei („Mandatum contra haereticos Lombardiae): Ketzer sollten der Acht verfallen und in schweren Fällen den Feuertod auf dem Scheiterhaufen sterben.

Papst Innozenz III. hatte sich von dem Grundgedanken leiten lassen, der Herr wolle die Bekehrung des Ketzers, nicht dessen Tod. Die Konstitution des Kaisers brachte eine schlimme Wende: es ging nicht mehr darum, den Ketzer zu bekehren, sondern darum, dem Ketzertum durch grausame Strafen beizukommen. Vielen Fürsten in Deutschland erschien dieses Vorgehen zu hart.

Magister Konrad von Marburg

Als sich die Fälle von Ketzerei im Rheinland häuften, baten die Erzbischöfe von Köln, Heinrich I. von Müllenark, und von Mainz, Siegfried III. von Eppstein, den Papst um die Entsendung eines päpstlichen Legaten, der mit allen Vollmachten gegen die Ketzer vorgehen sollte. Papst Gregor IX. (1227-1241) entsprach ihrer Bitte und beauftragte 1231 einen Mann, der viel Leid über Deutschland bringen sollte: Magister Konrad von Marburg.

Schon früh hatte er an Ketzerprozessen und am Kreuzzug gegen die Katherer in Südfrankreich teilgenommen. Bekannt, oder besser berüchtigt, wurde er als unerbittlicher Beichtvater der Landgräfin Elisabeth von Thüringen, die er mehrfach blutig schlug. Nach dem Tod Elisabeths 1231 konzentrierte sich Magister Konrad auf die Bekämpfung des Ketzertums, von Köln aus organisierte er ein Netz von Spitzeln, die ihm Namen und Vergehen vermeintlicher Ketzer zutrugen. Doch er kam nur langsam voran, denn noch galt die von Innozenz III. herausgegebene Prozessordnung.

Verschärfung der weltlichen Gesetze (1231/32)

Doch dann griff Kaiser Friedrich II. wieder ein. Nachdem er seinen Kreuzzug nach Palästina (1228/29) erfolgreich beendet und auch die auch den Machtkampf mit dem Papst erst einmal für sich entschieden hatte, wollte der Kaiser schärfer gegen die Ketzer in Deutschland vorgehen. Ketzer stellten die Ordnung in Frage, und damit auch seine Autorität.

Ausgerechnet der Kaiser, der selbst alles und jedes in Frage stellte, erließ nun die umfangreichste und bedeutendste Gesetzgebung gegen Ketzer. Das bisher gültige Untersuchungs- und Bekehrungsverfahren wurde aufgehoben, dafür konnten die Inquisitoren nach eigenem Ermessen und mit aller Vollmacht handeln – auch gegen Helfer und Verteidiger von Ketzern. Sie konnten sogar Geistlichen die Ausübung aller kirchlichen Amtshandlungen untersagen.

Im Kapitel 1 der Konstitutionen von Melfi (1231) wurde Häresie als Majestätsverbrechen angesehen; im Königreich Sizilien die Inquisition eingeführt. 1232 erließ der Kaiser ein Gesetz zur Unterstützung der Inquisition in Deutschland (Mandatum de haereticos persequendis). 1238 erneuerte er die Ketzergesetze; sie galten nun für das ganze Reichsgebiet.

Friedrichs Gesetzgebung wurde ins Kirchenrecht übernommen; geistliche und weltliche Macht taten sich im Kampf gegen die Ketzerei zusammen.

Angst und Schrecken

Magister Konrad ging davon aus, dass jeder Verdächtigte auch schuldig war, und machte kurzen Prozess: keine weiteren Zeugenverhöre, keine Bekehrungsversuche mehr. „Hundert Unschuldige wollen wir verbrennen, wenn nur ein Schuldiger dabei ist!“ Zu ihm waren zwei Männer gestoßen, die genauso dachten, der Dominikaner Dorso und ein anderer Ketzerprediger, den man „Johannes den Einäugigen“ nannte. Schon bald loderten die Scheiterhaufen. Außerdem wurden Belohnungen und Privilegien für das Denunzieren von Ketzern zugesagt.

Der Erzbischof von Mainz, Siegfried III., hatte den Papst um die Entsendung eines päpstlichen Legaten zur Ketzerbekämpfung ersucht, aber diese Schreckensherrschaft hatte er nicht gewollt. Erneut wandte er sich in einem Brief an Papst Gregor IX , um ihm zu berichten.

Die Anklage, Frühjahr 1233

Graf Heinrich III. von Sayn hatte sich mit einigen Nachbarn und Freunden auf einer kleinen Burg im Taunus getroffen. In dieser vertrauten Runde wollte man beraten, wie man sich im Zwist zwischen König Heinrich (VII.) und dessen Vater, Kaiser Friedrich II., verhalten sollte, und wie man sich und die seinen gegen die Willkür des Magisters Konrad schützen konnte.

Kurz darauf erschien ein Gerichtsbote auf der Stammburg Sayn im Westerwald. Er brachte eine Vorladung des Magisters Konrad von Marburg: Dem Grafen von Sayn wurde vorgeworfen, er habe an einer Ketzerzusammenkunft teilgenommen und greuliche Dinge gesagt und getan. Zudem gab es einen privaten Grund für die tödliche Feindschaft: Graf Heinrich und seine Frau Mechthild waren mit Landgräfin Elisabeth von Thüringen befreundet gewesen. In seiner Empörung wollte Graf Heinrich die Sache mit dem Schwert regeln, doch der Abt eines von ihm gegründeten Klosters überzeugte ihn, sein Recht auf legale Weise zu suchen.

Welche Zeugen hat die Anklage?

Graf Heinrich erschien vor Magister Konrad, entschlossen, dem Inquisitor die Stirn zu bieten. Welche Zeugen hatte er für seine ungeheuerlichen Vorwürfe? Magister Konrad weigerte sich, seinen Zeugen zu benennen, da er sie später nicht würde schützen können. Darauf erwiderte der Graf, dass die Anklage ohne Zeugen nicht haltbar wäre. Magister Konrad erkannte, dass er den Grafen von Sayn nicht einfach aburteilen konnte. Er verwarnte ihn mit aller Schärfe und entließ ihn.

Doch Graf Heinrich war klar, dass der Kampf erst begonnen hatte. Die Runde war belauscht worden, er uns seine Freunde waren denunziert und vorgeladen worden. Zwei von ihnen hatten sich dem Druck gebeugt und waren empfindlich bestraft worden. Der Willkür des Inquisitors musste Einhalt geboten werden.

Es gab es einen legalen Weg. Graf Heinrich war bekannt, dass der Mainzer Erzbischof, Siegfried III., einen Brief an den Papst geschrieben und ihm über die Willkür des päpstlichen Legaten berichtet hatte. Als Erzbischof konnte er ein Sendgericht (auch Synodalgericht) einberufen, das nach damaligen Recht für Strafsachen, die zugleich Sünde waren, zuständig war.

Sendgericht im Mainz

Vor einem Sendgericht konnte der Angeklagte sich von der Beschuldigungen reinigen, indem er selbst seine Unschuld beschwor und mindestens acht „Eideshelfer“, unbescholtene Männer, vor Gericht für ihn eintraten. Hatte er mehr „Eideshelfer“ als der Vertreter der Anklage, so musste er freigesprochen werden.

Graf Heinrich forderte also von Magister Konrad, seine Anklagen vor einem Sendgericht zu wiederholen. Magister Konrad räumte ein, dass der Erzbischof ein solches Gericht einberufen könnte, stellte aber von Anfang an klar, dass er im Auftrag des Papstes und des Kaisers handelte, dass es keine höhere Instanz als sein Gericht gäbe, und dass ein Sendgericht seine Vollmachten nicht einschränken und sein Urteil nicht aufheben könnte.

Zurück im Mainzer Dom

So stand Graf Heinrich III. von Sayn nun vor den weltlichen und geistlichen Fürsten des Reiches. König Heinrich VII., alle Reichsfürsten und Vasallen und die Erzbischöfe von Trier, Dietrich II. von Wied, und von Köln, Heinrich I. von Müllenark, waren zugegen. Menschen aus dem gesamten Rheinland und den angrenzenden Gebieten waren nach Mainz geströmt, denn dieses Verfahren war ein ungeheures Ereignis. Nicht nur hatte der Graf es gewagt, dem gefürchteten Inquisitor Widerstand zu leisten, sondern er hatte es auch geschafft, seinen Fall dem außerordentlichen Inquisitionsgericht Konrads zu entziehen.

Erzbischof Siegfried III. von Mainz führt den Vorsitz. Graf Heinrich, hinter ihm seine Ritterschaft, verteidigte sich selbst und beschwor seine Unschuld. Danach traten seine Ritter vor und bestätigten als „Eideshelfer“ seine Worte. Damit galt seine Unschuld nach damaligen Recht als erwiesen. Erzbischof Siegfried forderte nun Magister Konrad auf, seine Zeugen aufzurufen. Auf die gepanzerten Ritter deutend, erklärte der, dass seine Eideshelfer aus Angst vor der Rache der Mächtigen nicht aussagen würden. Doch wären seine Beschuldigungen rechtens: der Graf von Sayn habe Dinge gesagt und getan, die so ungeheuerlich wären, dass er sie gar nicht aussprechen könnte, schon gar nicht im Hause Gottes.

Graf Heinrich ging mit dem Schwert auf ihn los, doch der Erzbischof Siegfried fiel ihm in den Arm. Zugleich ermahnte er Magister Konrad, solch ungeheuerlichen Behauptungen zu unterlassen, falls er sie nicht durch Zeugenaussagen beweisen könnte.

Ankläger gegen Erzbischof

Nun entzündet sich eine hitzige juristische Debatte zwischen Magister Konrad und Erzbischof Siegfried III. Bei der Flut der Ketzerei bliebe ihm gar nichts anders übrig, führt Magister Konrad an, als die Ketzer schnell abzuurteilen, und dazu habe ihm ja auch der Papst die Vollmacht erteilt. Nein, entgegnete der Erzbischof, der Heilige Vater verlangte die getreue Einhaltung der Prozessvorschriften!

Nun wurde Magister Konrad laut: auch der Kaiser forderte ein hartes und rasches Vorgehen gegen die Ketzer, da „offensichtlich durch sie die stärksten Pfeiler der staatlichen Ordnung zernagt würden; kurz alle Fundamente der menschlichen Ordnung auf Erden“. Erregt entgegnete der Erzbischof, „so wie Magister Konrad die Inquisition betriebe, ließe er sie nur zum Instrument des Kaisers werden, der hierin ein wirksames Mittel nicht nur zur Stützung seiner Pläne und zur Bemächtigung oft beträchtlicher Güter der Verurteilten sähe, denn es sei wohl kein Geheimnis, wie der Kaiser wirklich zur Heiligen Kirche stehe!“ (Hermann Müller).

Der Kaisersohn stützt die Anklage

Plötzlich herrschte atemloses Schweigen. Viele dachten wie der Erzbischof, doch niemand hätte es laut ausgesprochen, schon gar nicht in Anwesenheit des Kaisersohns. Dann erhob sich Heinrich VII. und sagte, Magister Konrad handeltee durchaus rechtens, und er handelte „hier nach dem Willen des Kaisers, dem es letztlich um das Reich ginge, was ein Kirchenmann wohl schwerlich begriff.“ (Hermann Müller). Damit hatte der Prozess eine Wende zugunsten Magister Konrads genommen.

Schuldspruch

Der ging nun aufs Ganze. Nochmals wiederholte er, welch weitreichende Vollmachten ihm vom Papst und Kaiser erteilt worden waren. Dann sprach er sein Urteil: Graf Heinrich III. von Sayn wurde der Ketzerei schuldig befunden und sollte auf dem Scheiterhaufen sterben.

Entsetzten und Bestürzung herrschten allerseits. Dann wandte sich der Erzbischof von Trier an König Heinrich (VII.) und redete leise auf ihn ein. Schließlich erhobt sich der König. Die Schuld des Angeklagten wäre nicht erwiesen, sagte er, und deshalb würde er zu einem Königstag laden, dort den Fall neu aufrollen und nach geltendem Recht entscheiden. Für einen Moment war Graf Heinrich erleichtert, denn durch das Eintreten des Königs für ihn konnte Konrads Urteil zunächst nicht vollzogen werden.

Doch dann wurde wird ihm klar, dass er nur einen Aufschub bekommen hatte. Auf dem Königstag würden dieselben Leute über ihn zu Gericht sitzen, allen voran Magister Konrad, der Kaiser Friedrich II. auf seiner Seite wusste, und der König, der seinen kaiserlichen Vater nicht auf seiner Seite wusste. Hinzu kam, dass Heinrichs Familie im deutschen Thronstreit bis zuletzt auf der Seite des Welfen Otto IV. gestanden hatte.

Der Heilige Vater soll entscheiden!

So setzte Graf Heinrich nicht viel Hoffnung auf den Königstag. Hier und jetzt musste er sein Schicksal in die Hand nehmen. Entschlossen trat er vor und sprach: „Ich danke meinem königlichen Herren für sein Eintreten zu eine klaren Entscheidung, doch bitte ich zu bedanken, dass hier ein Königstag ebenso wenig richten kann wie ein Sendgericht (..) Auch ich lehne den Königstag ab. Dagegen fordere ich, die Angelegenheit direkt dem Heiligen Vater, Papst Gregor in Rom, zur Entscheidung darzulegen.“ (Hermann Müller).

Einen Moment lang herrschte Stille – das hatte noch niemand gewagt. Dann brandet tosender Applaus auf. Der ganze Dom stand auf Seiten Graf Heinrichs. Angesichts dieser Beifallswoge lenkte der König ein. Man einigte sich darauf, dass sowohl das Sendgericht wie auch der Königshof eine Abordnung zum Heiligen Vater nach Rom schicken und den Fall vortragen sollten. Und so schloss der Erzbischof von Trier die Verhandlung mit den Worten: „Der Graf von Sayn geht von hier als ein rechtgläubiger Mann und keiner Schuld überführet“ (Wormser Annalen).

Konrads Ende

Wenige Tage später wussten Graf Heinrich III. von Sayn und seine Freunde, dass sie noch nicht in Frieden weiterleben konnten. Ja, die Abordnungen des Sendgerichts und des Königshofes waren unterwegs nach Rom, doch der Weg war  weit und gefährlich, und selbst bei einer Entscheidung gegen Magister Konrad von Marburg würden Monate vergehen, bis sie im Rheinland ankam. Für viele Menschen würde sie zu spät kommen, unter ihnen vielleicht auch Graf Heinrich und seine Freunde.

Derweil hetzet Magister Konrad weiter gegen den Grafen, er rief sogar zum Kreuzzug gegen die Stammburg Sayn auf. Graf Heinrich wusste nur zu gut, was religiöser Fanatismus aus Menschen machen konnte, er musste handeln, bevor ein fanatisierter Mob brennend und mordend in seine Länder einfiel.

So entschließen sich Graf Heinrich und seine Freunde, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Als Magister Konrad auf der Rückreise von Mainz am 30. Juli 1233 am Löhneberg durch saynisches Gebiet kam brachten getreuen Lehnsleute ihn und seine Helfershelfer um.

Königstag in Frankfurt

Am 2. Februar 1234 fand in Frankfurt der große Königstag statt, und Graf Heinrich III. von Sayn wurde voll rehabilitiert. Die Mörder hatten sich gestellt und wurden nur milde bestraft, denn auch wenn es eine Sünde war, so hatten Magister Konrad und seine Helfer doch unendlichen Schrecken und Leid über die Region gebracht und nach dem Empfinden der meisten Menschen ihr Schicksal verdient.

Und so schrieb die Trierer Chronik: „Der Graf von Sayn ward zu einer Mauer im Hause des Herrn, so dass eine unzeitgemäße und blinde Wut, die zwischen schuldig und unschuldig keinen Unterschied machte und, vom Bauer angefangen, Bischöfe und Fürsten, Mönche und Laien verketzern wollte, sich nicht weiter ausbreiten konnte.

Der Papst in Rom

Über die Reaktion Papst Gregors IX. in Rom finden sich unterschiedliche Aussagen. In einigen Quellen heißt es, er hätte mit Bestürzung auf die Berichte reagiert, und dass der Brief des Erzbischofs von Mainz nie bei ihm angekommen ist. Mit den Worten „ein solches Elend, wie Ihr uns geschildert habt, dulden wir nicht!“, hätte er Magister Konrads Vollmachten zurückgezogen. Anderen Quellen zufolge hatte Konrad von Marburg zu jeder Zeit die volle Rückendeckung von Papst und Kaiser. Dafür spricht, dass die Vollmachten der Inquisition nach Konrads Ermordung neu erteilt bzw. bestätigt wurden. Gregors Nachfolger Innozenz IV. führte 1252 gar die Folter ins Inquisitionsverfahren ein.

Bei allem Entsetzen über die Person Konrads und sein Vorgehen bleibt doch festzuhalten, dass er die ihm übertragenen Vollmachten voll ausschöpfte, aber nicht überschritt. Das Verderben lag in der der Sache selbst, der Inquisitionsgerichtsbarkeit.

Graf Heinrich III. von Sayn | Zum Weiterlesen
Fürstenhaus Sayn, Familiengeschichte

Bild- und Quellennachweis

  • Hermann Müller, Der Ketzerprozess gegen Graf Heinrich III. von Sayn
  • Dieter Breuers, Die glühende Krone, Die Staufer und ihre Zeit
  • Bayerischer Rundfunk, Späte Reue vom Papst, die Geschichte der Inquisition.
  • Das Bild von Konrad von Marbung stammt aus der Public Domain Section der Wikipedia.

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