
Bevölkerungsdynamik in Bonn und am Rhein
Damals war Bonn, wie viele andere römische Städte am Rhein, ein Zentrum des kulturellen und wirtschaftlichen Austauschs. Griechen, Syrer, und auch Germanen aus den Gebieten jenseits des Rheins kamn in die in die Region. Mit den Soldaten und Reisenden kam auch Griechen und Syrer in die Region, und mit ihnen neue Ideen, Sprachen und Traditionen.
Mit den Legionen kamen Personen griechischer und syrischer Herkunft an den Rhein. Aus den germanischen Gebieten östlich des Rheins zogen Menschen ins römische Reich; viele von ihnen wurden als Arbeitskräfte und Siedler angesiedelt oder auch als Rekruten in die römischen Hilfstruppen integriert. Diese Integration war Teil der römischen Politik, die darauf abzielte, Stabilität in den Grenzprovinzen zu schaffen. Es war eine dynamische Grenzregion, und die römische Präsenz am Rhein war allgegenwärtig.
Germanienfeldzug
Caracallas Interesse an Militärfeldzügen führte ihn auch nach Germanien. Im Südwesten war eine neue große Germanengruppe aufgetaucht, vermutlich die Alemannen. Der Kaiser entschloss sich 213 zu einem Präventivschlag und führte selbst seine Truppen an. Während des Feldzugs von 213-214 besiegte Caracalla erfolgreich einige der germanischen Stämme, während er andere Schwierigkeiten auf diplomatischem Wege aus dem Weg räumte. Freilich ist nicht bekannt, mit wem genau er diese Verträge abschloss. Caracalla ließ die Grenzbefestigungen von Raetia und Germania Superior verstärken, und für dienächsten zwanzig Jahren konnten sie Invasionen abwehren.
Machtkampf im Reich
Im Jahr 217 n. Chr. wurde Caracalla während eines Feldzugs in Mesopotamien von Mitgliedern seiner Leibwache getötet. Drahtzieher des Komplotts war wohl der Prätorianerpräfekt Macrinus, der sich wenige Tage danach selbst zum Kaiser ausrufen ließ. Caracallas Mutter Julia Domna beging Selbstmord.
Doch diese Nachrichten erreichten die Garnisonsstadt Bonn nicht sofort. Wochen, vergingen, bis Menschen wie der Straßenpolizist Agripinus und die Legionäre der I Minervia davon erfuhren. Man kann sich die Unsicherheit in dieser Zeit gut vorstellen. Die Bonner Legion verehrtedas severische Kaiserhaus, und Caracalla genoss gerade unter den Soldaten große Beliebtheit. Was würde nun aus seinem Andenken? Würde man ihn wie frühere Kaiser vergöttlichen, oder wagte der Senat in Rom, seine Erinnerung mit einer Damnatio Memoriae auszulöschen? Wie würden die Truppen darauf reagieren? Wer herrschte nun? Und würde der neue Kaiser die Grenzregion am Rhein weiterhin unterstützen?
Im Reich entwickelten sich die Dinge schnell. Caracallas Familie mütterlicherseits in Syrien war reich und mächtig. Seine Tante Julia Maesa spürte die zunehmende Unzufriedenheit der Soldaten. Von ihren beiden Töchtern hatte sie zwei Enkel, den vierzehnjährigen Bassianus und den neunjährigen Alexianos. Bassianus übte in der Familientradition die Würde eines Elagabal-Priesters aus. Unter diesem Namen ist er heute bekannt. Mit dem Versprechen auf eine hohe Belohnung und der Behauptung, der Junge sei ein unehelicher Sohn Caracallas, überzeugte Julia Maesa die Legio III Gallica in Raphanea, Macrinus zu stürzen. Bereits ein Jahr später, im Jahr 218, wurde Bassianus nach einem Sieg über Macrinus zum Kaiser ausgerufen und zog mit seiner Mutter und Großmutter nach Rom.
Die schwierige Herrschaft Elagabals
Elagabal war in Rom jedoch bald von Skandalen umgeben. Seine Verehrung des Sonnengottes Elagabal stieß bei den konservativen Römern auf Empörung, da er versuchte, diese Religion über die römischen Götter zu erheben. Auch seine demonstrative Verbindung zu Caracalla brachte ihm die Feindschaft der senatorischen Elite ein. Doch Berichte über seinen Lebensstil und seine Politik müssen mit Vorsicht betrachtet werden – antike Historiker wie Cassius Dio und Herodian hatten oft ihre eigene Agenda.
Die Großmutter Julia Maesa erkannte die wachsende Unzufriedenheit und überredete Elagabal, seinen jüngeren Cousin Alexianus (den späteren Alexander Severus) zu adoptieren. Doch die Rivalität zwischen den beiden führte 222 zu einem tödlichen Konflikt: Elagabal wurde zusammen mit seiner Mutter von Soldaten ermordet, und Alexander Severus wurde Kaiser.
Der Namenszusatz der Legion ändert sich
Es gibt noch einen archäologischer Fund aus Bonn, der etwas Licht auf die Ereignisse wirft. Eine Inschrift zeigt, dass der Name der Bonner Legion in den folgenden Jahren mehrfach geändert wurde.
Obwohl der ursprüngliche Name weggemeißelt wurde, kann man ihn noch erkennen: „Leg(io) I M(inervia) / […] Ant[o]/niniana p(ia) f(idelis)“. Das ist ein Ehrentitel, der an eine pflichtbewusste und treue Legion vergeben wurde. Mit der I Minervia in Bonn wurden die Legionen II Augusta in Nordbritannien und die X Gemina in Wien geehrt. Der Zusatz „Antoniniana“ verweist auf Caracalla oder Elagabal. Da Caracalla bei den Legionären eh beliebt war, ist Elagabal wahrscheinlicher, zumal nach seinem Tod der Zusatz „Antoniniana“ wegfiel.
Ein archäologisches Relikt, das diese Entwicklungen illustriert, ist der Siegesaltar von Beuel. Er trägt die Aufschrift „I Minervia Pia Fidelis Severiana Alexandriana“ – nach Severus Alexander, der offensichtlich dieser Einheit etwas verdankte. Inzwischen waren an die Stelle der zahlreichen, oft verfeindeten Stämme allmählich große Stammesverbände getreten – die Franken am Niederrhein und die Alamannen am Mittel- und Oberrhein. Es kam zu Raubzügen feindlicher Germanen, doch 231 konnte die Legion I Minervia auf der Beueler Rheinseite germanische Plünderer besiegen. Auf dem Schlachtfeld errichtete sie den Siegesaltar, der 231 geweiht wurde.
Die Bedrohung aus dem Osten
Dann kamen beunruhigende Nachrichten aus dem Osten des Reiches. Die Sassaniden hatten um 224 n. Chr. die Parther abgelöst und Rom hatten einen neuen, noch gefährlicheren Gegner als es die Parther gewesen waren. 230/231 verwüstete ein persisches Heer die römische Provinz Mesopotamien; auch Syrien und Kappadokien waren bedroht.
Alexander Severus reiste im Frühjahr 231 mit Julia Mamaea nach Osten. Für diesen Feldzug zog er Truppen aus dem Westen ab; auch Einheiten der Mainzer, Xantener und Straßburger Legionen mussten mit – auf die Gefahr hin, ihre Regionen fast schutzlos zurückzulassen.
Gnadenlose Zeiten
Oft beschäftigt mich Geschichte auch als Mensch, so die Zeit der Severer und die Constitutio Antoniniana. Caracallas Welt war seit seiner Kindheit von Härte und Blut geprägt. Doch auch wenn seine Motive vermutlich vielschichtig waren – sein Edikt hat Millionen Menschen im Römisch Reich, in Nordafrika, im Nahen Osten und in Europa, eine neue rechtliche Identität gegeben.
Heute, zweitausend Jahre später, scheint die Welt wieder gnadenlos zu sein. In Syrien und Libyen, der Heimat des severischen Kaiserhauses, und in anderen einst blühenden Regionen des Römischen Reiches herrschen Krieg, Gewalt und Verfolgung. Menschen werden ihrer Würde beraubt, ihrer Rechte und ihrer Leben. Vielleicht wäre selbst Caracalla bei all seiner Härte betroffen. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es immer die Menschen sind, die sich gegenseitig das Schlimmste antun – und doch auch die Einzigen, die es verhindern können.
Zum Weiterlesen: Römisches Bürgerrecht
Die Constitutio Antoniniana bei der Justus-Liebig-Universität Giessen: https://www.constitutio.de/de
Piepenbrink, Karen: Kaiserlich-göttliches Geschenk oder Steuertrick – Was sagt uns die Constitutio Antoniniana heute? In: Gießener Universitätsblätter 51 (2018). Online verfügbar unter https://dx.doi.org/10.22029/jlupub-5842.
Römerzeit
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