
Im Bonner Landesmuseum steht ein faszinierender Zeuge der römischen Geschichte: ein Weihestein, den der Straßenpolizist Agripinus den Aufanischen Matronen gestiftet hat. Es war sein Dank für die Verleihung des römischen Bürgerrechts durch Kaiser Caracalla. Aber der Reihe nach.
Septimius Severus
Nach der Ermordung Kaiser Commodus‘ im Jahr 192 brach ein Bürgerkrieg aus, der im „Jahr der fünf Kaiser“ 193 gipfelte. Die Legio Minervia in Bonn stellte sich hinter Septimius Severus, der sich letztlich durchsetzte und den Thron erlangte.
Septimius Severus stammte aus Leptis Magna in Nordafrika; seine Muttersprache war punisch. Er war einer der ersten Kaiser, der zwar aus einer angesehenen, wohlhabenden Familie stammte, nicht aber aus der traditionellen römischen Elite kam. Der Kaiser aus Nordafrika und seine syrischen Frau Julia Domna spiegelten vielmehr den zunehmend kosmopolitischen Charakter des römischen Reiches wider.
Das severische Königshaus war in vielen Provinzen des Reiches äußerst populär und wurde auch in Bonn verehrt. So standen im Fahnenheiligtum der Bonner Legion Statuen der Kaiserfamilie. Besonders Septimius Severus galt als starker Kaiser, der das Reich Bürgerkrieg stabilisierte; auch in den Grenzregionen. Dabei stützte er sich auf die Loyalität des Militärs, und in den Grenzregionen wie Germania Inferior hatte er großen Rückhalt. Nach seinem Sieg stationierte er eine Abordnung (Vexillation) der Legio I Minervia in der gallischen Hauptstadt Lyon. Vexillationen der vier germanischen Legionen kämpfte mit ihm im zweiten Partherkrieg 197/198.
Caracalla
Nach Septimius Severus‘ Tod trat sein Sohn Caracalla die Nachfolge an und führte die militärische Tradition fort. Caracalla ist einer der umstrittensten römischen Kaiser, vor allem wegen seiner brutalen Maßnahmen wie der Ermordung seines Bruders Geta und seiner als tyrannisch empfundenen Herrschaft. Besonders antike Historiker wie der ihm feindlich gesinnte Cassius Die zeichnen ein düsteres Bild von ihm.
Caracalla wuchs in einer Welt auf, die von Gewalt und Machtkämpfen geprägt war, und erlebte aus nächster Nähe, wie unerbittlich die politische Realität des römischen Reiches sein konnte. Sein Vater hatte eine kompromisslose Vorstellung von Herrschaft, und seine Kriege waren brutal und äußerst blutig. Laut Cassius Dio standen sich alleine in der Entscheidungsschlacht bei Lyon 300.000 Soldaten gegenüber, und die Verluste waren auf beiden Seiten sehr hoch. Der Feldzug nach Schottland kostetet auf römischer Seite 50.000 Männer das Leben. Caracalla dürfte schon als Heranwachsender diese Lektionen verinnerlicht haben.
Constitutio Antoniniana
Mit der Constitutio Antoniniana 212 verlieh Kaiser Caracalla allen Freien in den Provinzen das römische Bürgerrecht. Das war ein gewaltigen Bruch mit der früheren Praxis, die das Bürgerrecht nur einer relativ kleinen Elite vorbehielt. So hatte der Erlass tiefgreifende Auswirkungen auf die Integration der Provinzen und brachte Millionen von Menschen neue Rechte und Privilegien.
Caracallas Motive können wir nur vermuten. Er selbst sagte, dass er den unsterblichen Göttern danken, wollte, die ihn aus einer großen Gefahr gerettet hatten, indem er viel mehr Menschen zu ihnen brachte. Dann gibt es den pragmatischen Hintergrund: römische Bürger konnten für die Legionen rekrutiert und besteuert werden.
Agripinus‘ Dank
Auch die Bonner waren jetzt römische Bürger. Für einen Mann wie den Straßenpolizisten Agripinus war es eine große Ehre, römischer Bürger zu werden. Es eröffnete ihm bestimmte Rechte, die ihm zuvor verschlossen gewesen waren: der Schutz vor ungerechter Behandlung, das Recht, ein römisches Gericht anzurufen, das Recht auf Eigentum und Erbschaft. Es war eine neue Würde, die ihm zuteil wurde. Und so stiftete er seinen Stein „für das Wohl des unbesiegten Kaisers Antoninus“ – Caracalla hieß mit vollem Namen Marcus Aurelius Severus Antoninus.
Man kann sich vorstellen, wie Agripinus die Inschrift auf den Stein meißeln ließ, mit Stolz und Dankbarkeit. Diese Inschrift ist so besonders, weil sie nicht von einem hochrangigen Offizier stammt, sondern von einem Mann, der eher zu den mittleren oder unteren Rängen zählte. Marcus Aurelius Agripinus gehörte zu den Benefiziariern, einer Gruppe von besonderen Soldaten, die nicht mehr in der regulären Truppe standen. Vielmehr gehörten sie zum Stab eines hohen Beamten oder Offiziers, und übernahmen für diese Verwaltungs- und Polizeiaufgaben. Zu den Aufgaben der Benefiziarier gehörte auch die Überwachung der Straßen und Transportrouten.
Als Straßenpolizist schützte Agripinus Händler und Reisende, wachte über die Straßen, auf denen Legionen marschierten und Güter in die weit entfernten Städte des Reiches transportiert wurden. Vielleicht war er stolz auf seine Aufgabe, ein wenig ehrfürchtig angesichts der gewaltigen Maschinerie des Römischen Imperiums, in die auch er eingebunden war.
Sein Stein wurde im Matronenheiligtum Görresburg in der Eifelgemeinde Nettersheim gefunden.
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