November 1918. Der Waffenstillstand von Compiègne war unterzeichnet. Für die Menschen am Rhein war es noch nicht vorbei, denn die Alliierte Rheinlandbesetzung begann. Zugleich gab es Bestrebungen, das Rheinland von Preußen zu lösen.
Der Krieg war verloren, und das Deutsche Reich hatte um Waffenstillstand gebeten. Nachdem die Kriegspropaganda stets den Sieg versprochen hatte, kam die Niederlage für die meisten Menschen völlig überraschend. Noch immer herrschte Kriegsrecht und fast alle litten Hunger, denn die Seeblockade der Alliierten bestand weiter. Nach dem Matrosenaufstand in Kiel breitete sich die Revolution im ganzen Land aus. Ungewissheit über die Zukunft prägte die Stimmung im Rheinland.
Der Kaiser flieht
Am Abend des 9. Novembers war Kaiser Wilhelm II. bereits Geschichte, obwohl er noch nicht formal abgedankt hatte. Im Morgengrauen des 10. Novembers floh er vom Hauptquartier im belgischen Spa in die neutralen Niederlande. Dort gewährte Königin Wilhelmina ihm Asyl und lieferte ihn auch auf Drängen der Alliierten nicht aus. Er durfte aber sein Anwesen in den Niederlanden nicht verlassen.
Waffenstillstand
Im Wald von Compiègne wurde über einen Waffenstillstand verhandelt. Auf deutscher Seite bemühte sich Matthias Erzberger verzweifelt, doch zu Verhandlungen kam es kaum, denn auf alliierte Seite forderte der französische Marschall Foch die bedingungslose Annahme aller Forderungen. Die deutschen Truppen mussten sich eilig zurückziehen, danach würden alliierte Truppen die linksrheinischen deutschen Gebiete besetzen. Deutschland musste sofortige Reparationsleistungen leisten, und der deutsch-russische Friedensvertrag von Brest-Litowsk wurde annulliert. Nicht einmal die Seeblockade wurde aufgehoben. Doch der deutschen Delegation blieb keine Wahl, nach Rücksprache mit Generalfeldmarschall Hindenburg unterzeichnete Erzberger. Es war der 11. November 1918, und noch am selben Tag trat der Waffenstillstand in Kraft.
Truppenrückzug
Nach den Waffenstillstandsbedingungen musste das linke Rheinufer am 4. Dezember 6 Uhr morgens geräumt sein, daher eilten die deutschen Truppen zurück. Viele Menschen standen am Rand der Straßen und Brücken und hofften, von den Soldaten Nachrichten über ihre Angehörigen zu erfahren.
Einige Tage lang glich das Städtchen Königswinter einem Heerlager. Unzählige Truppenverbände zogen zu Fuß, zu Pferde oder auf Lastautos und sonstigen Fuhrwerken durch die Straßen. Die Fähre legte Tages- und Nachtschichten ein, um Menschen und Material vom linken auf das rechte Rheinufer zu befördern, ebenso die Schiffe der Köln-Düsseldorfer und anderer Gesellschaften. Am Südende des Städtchens und in Niederdollendorf hatten Pionierbataillone Pontonbrücken über den Rhein gebaut. Offiziere und Mannschaften mussten untergebracht werden. Trotz der Niederlage tat man sein Bestes, die Truppen freundlich willkommen zu heißen.
Alliierte Truppen am Rhein
Nun besetzten alliierte Truppen das linke Rheinufer und „Brückenköpfe“ bei Köln, Koblenz und Mainz. Zudem wurde ein 50 km breiter Streifen entlang des rechten Rheinufers entmilitarisiertes Gebiet. Nach dem Abzug der in Bonn stationierten deutschen Truppen rückten an die 10.000 britische und kanadische Soldaten dort ein. Am 6. Dezember standen die ersten englischen Verbände in Köln.
Ab dem 15. Dezember galt im gesamten britischen Besetzungsgebiet die britische Zeit, seitdem war es hier eine Stunde früher als im übrigen Deutschland. Presse- und Versammlungsfreiheit wurden beschränkt, nächtliche Ausgangssperren verhängt und der Karneval wurde verboten. Viele Familien mussten Unterkünfte für englische Soldaten bereitstellen. Der Krieg war vorbei, aber nicht für die Menschen hier am Rhein, und ehrlicherweise auch nicht für die Besatzungssoldaten von weit her.
Annektion durch Frankreich?
Für die meisten Menschen war die Niederlage völlig überraschend gekommen, denn bis zuletzt hatte die Kriegspropaganda den Sieg versprochen. Nun standen fremde Besatzungstruppen im Land, und schon sprach man im Umfeld des französischen Ministerpräsidenten Poincaré vom Anschluss des Rheinlandes an Frankreich. Für viele Rheinländer war das eine reale Gefahr.
Los von Berlin!
In diesen Tagen dachten manche an eine Abtrennung des Rheinlandes von Preußen, ja sogar vom Deutschen Reich. Der 9. November 1918 hatte nicht nur das Kaiserreich, sondern das Königreich Preußen hinweg gefegt, und noch war alles offen. Sollte Preußen mit seiner überwältigenden Dominanz überhaupt fortbestehen?
Schon am 10. November 1918 begann die „Kölnische Volkszeitung“, ein Organ der katholischen Zentrumspartei, eine Kampagne für einen Rheinstaat – auch wenn sie hier nicht für das Zentrum in seiner Gesamtheit sprach.
Am 4. Dezember 1918 versammelte die Rheinische Zentrumspartei an die 5.000 Menschen in Köln. Man sprach über die Gründung einer „Rheinischen Republik“ im Deutschen Reich, um einer Annexion durch Frankreich zuvorzukommen.
Adenauers Überlegungen
Auch Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer dachte an eine Rheinische Republik, und zwar eine große Westdeutsche Republik mit der Pfalz, dem Rheinland und dem Ruhrgebiet im Verbund des Deutschen Reiches. Auf einer Versammlung am 1. Februar 1919 mit Mandatsträgern aus den besetzten Gebieten sprach er seine Gedanken aus. Durch ihre geografische und kulturellen Nähe zu Westeuropa könnte diese große Westdeutsche Republik eine Art Bindeglied zwischen Frankreich und Belgien und den östlicheren Reichsgebieten sein, sagte er. Zudem könnte sie helfen, das übrige Reich „friedensfreundlich“ zu machen. Die Abtrennung ganzer Teile des Reiches gegen Recht und Gesetz lehnte er ab.
Seither war Adenauer ein umstrittener Mann. Doch man muss genau hinhören und die Situation bedenken. Die Alliierte Rheinlandbesetzung lief, auf einen maßvollen Frieden konnte man bestenfalls hoffen, und die Menschen waren zutiefst verunsichert. Als Oberbürgermeister trug Adenauer Verantwortung für seine Region.
Dorten in Wiesbaden
Anders dachte eine Gruppe um Dr. Hans Adam Dorten. Am 1. Juni 1919 besetzten sie das Regierungsgebäude in Wiesbaden und riefen die Rheinische Republik innerhalb des Deutschen Reiches aus. Dabei konnten sie auf die Unterstützung des Generals der französischen Besatzungstruppen zählen. Doch die Bevölkerung war nicht auf Dorten Seite, es kam zu Streiks und Massendemonstrationen, und so mussten Dorten und seine Anhänger schon vier Tage später abziehen.
Rheinlandabkommen
Ende Juni 1919 wurde der Versailler Vertrag unterschrieben. Er enthielt auch das „Rheinlandabkommen“ zwischen den USA, Belgien, Großbritannien und Frankreich einerseits und dem Deutschen Reich andererseits. Hier wurden die Modalitäten der „Friedensbesetzung“ des Rheinlandes festgelegt. Angelehnt an die „Brückenköpfe“ wurden drei Besatzungszonen gebildet: eine Kölner Zone (Belgier und Briten), eine Koblenzer Zone (Amerikaner) sowie eine Mainzer Zone (Franzosen). Die Alliierten hatten die uneingeschränkte Befehlsgewalt über alle Verkehrswege des besetzten Gebietes einschließlich des Rheins. Zunächst war eine Besatzungszeit von 15 Jahren vorgesehen. Falls Deutschland alle Vertragsbestimmungen erfüllte, sollte nach fünf Jahren Köln, nach zehn Jahren Koblenz und nach 15 Jahren Mainz geräumt werden.
Zur Umsetzung und Überwachung des Rheinlandabkommens setzten die Alliierten die Rheinlandkommission ein. Ihr gehörten Vertreter der Besatzungsmächte Frankreich, Belgien, USA und Großbritannien an. Sie hatte ihren Sitz in Koblenz, Vorsitzender war der französische Vertreter Paul Tirard.
Alliierte Rheinlandbesetzung | Zum Weiterschauen
Auf YouTube ist eine beeindruckende Dokumentation verfügbar:
Der Feind am Rhein
Revolution und Rheinlandbesetzung
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