Deutschland, 1918/1919. Zwischen dem Ende des Kaiserreichs und der Weimarer Republik kommt die Novemberrevolution. Der Krieg war verloren, eine alliierte Besatzung drohte. Viele Menschen litten Hunger, denn die Blockade der Alliierten bestand weiter. Die Stimmung kippte gegen den Kaiser.
Stimmung gegen den Kaiser
Ende Oktober, noch im Krieg, hatte man eilig die Verfassung geändert, Deutschland war nun eine parlamentarische Monarchie. Der Kanzler war nicht mehr dem Kaiser, sondern dem Parlament verantwortlich.
Der Kaiser selbst saß er im Hauptquartier der Obersten Heeresleitung im belgischen Spa und hoffte, dass er bald mit seinen Truppen in Berlin einmarschieren konnte, doch er verkannte die Lage völlig. Reichskanzler Prinz Max von Baden und der MSPD-Vorsitzende Friedrich Ebert drängten ihn, zugunsten eines Regenten abzudanken, doch Wilhelm II. blieb uneinsichtig und lehnte ab.
Vielen Menschen reichten diese Reformen nicht. Geprägt von den langen Kriegsjahren, übermenschlichen Anstrengungen, Hunger und Not wollten sie eine neue politische Ordnung. Vor allem hatte der Kaiser, längst eine Randfigur im politischen Geschehen, das Vertrauen der Menschen verloren.
Matrosenaufstand in Kiel
Dann kamen immer mehr Nachrichten aus Kiel. Als die Admiralität eigenmächtig die Hochseeflotte in eine sinnlose letzte Schlacht gegen die Royal Navy schicken wollte, also in den sicheren Tod, hatten die Matrosen den Befehl verweigert. Unterstützt von Soldaten, Hafenarbeitern und Bürgern kontrollierten sie nun Kiel und Wilhelmshaven; Arbeiter- und Soldatenräte wurden gebildet.
Aufstände im ganzen Land
Innerhalb weniger Tage kam es im ganzen Land zu Aufständen. Die regierenden Fürsten dankten ab, Arbeiter- und Soldatenräte übernahmen die Macht. Der Ruf nach Abdankung des Kaisers und Errichtung einer Republik wurde immer lauter. Fast überall gab es kein Blutvergießen und es kam auch nicht zu Übergriffen, Beschlagnahmungen und Besetzungen. Die Räte verstanden sich als demokratische Kontrollorgane in einer Übergangszeit; sie wollten im besten Interesse einer neuen, republikanischen Regierung handeln. Am 8. November hatte die Revolution auch unsere Region erreicht.
Novemberrevolution in Berlin
Auch in der Hauptstadt Berlin brodelte es. Die Linke um die „Revolutionären Obleute“ in den Großbetrieben und den Spartakusbund auf dem linken Flügel der USPD planten bereits einen Aufstand. Der Mehrheits-SPD und den Gewerkschaften vertrauten sie schon lange nicht mehr.
Dann überschlugen sich die Ereignisse in Berlin. Am Morgen des 9. Novembers war Generalstreik, Hunderttausende Menschen zogen in die Innenstadt. Etwa zur gleichen Zeit in Spa erfuhr Kaiser Wilhelm II. von General Groener, Nachfolger Ludendorffs in der Obersten Heeresleitung, dass die Frontsoldaten ihm nicht mehr folgen würden. Prinz Max von Baden bat ihn dringend, sofort abzudanken, doch Wilhelm zögerte immer noch. Wenigstens König von Preußen wollte er bleiben.
Nun handelte Max von Baden selbst: Am Mittag gab er die Abdankung des Kaisers und den Thronverzicht des Kronprinzen bekannt. Friedrich Ebert übernahm als Reichskanzler die Regierung.
Es lebe die Deutsche Republik!
Doch die Nachricht kam zu spät. Die riesige Menschenmenge in der Innenstadt zerstreute sich nicht, immer mehr Demonstranten forderten die Abschaffung der Monarchie. Beim Mittagessen im Reichstagsgebäude erfuhren die SPD-Politiker Scheidemann, Ebert und Bauer, dass Karl Liebknecht in Kürze die Räterepublik ausrufen wollte. Dem musste man zuvorkommen, war Scheidemann überzeugt. Da Ebert nicht wollte, trat er gegen 14 Uhr auf einen Balkon des Reichstags und rief die Republik aus.
Freie Sozialistische Republik Deutschland!
Etwa zur selben Zeit im Tiergarten verkündete Karl Liebknecht die sozialistische Republik. Am Nachmittag stand er auf einem Lastwagen vor dem Berliner Stadtschloss und rief die Demonstranten auf, das Schloss zu erstürmen. Danach rief er vom Schlossbalkon erneut erneut die „Freie Sozialistische Republik Deutschland“ aus und forderte: „Alle Macht den Arbeiter- und Soldatenräten!“ Anschließend zogen Liebknechts Anhänger durch die Stadt und riefen: „Nieder mit der Regierung Ebert – Scheidemann!“
Der Rat der Volksbeauftragten
Um die Dinge doch noch in der Hand zu behalten, bot Ebert nun der USPD den Eintritt in die Regierung an. Ebert, in seinem Herzen Republikaner, hatte sich im Interesse eines friedlichen Übergangs vom kaiserlichen Obrigkeitsstaat zur Demokratie mit der parlamentarischen Monarchie arrangiert. Nun hatte sich die MSPD-Führung an die Spitze der Revolution gestellt, um sie zu bremsen.
Das war ganz und gar nicht im Sinne der „Revolutionären Obleute“ in den Großbetrieben, die Ebert eh misstrauten. Nun mobilisierten sie die Berliner Betriebe, Arbeiter- und Soldatenräte zu wählen, die stellvertretend für alle Räte in Deutschland einen aus MSPD- und USPD-Vertretern bestehenden „Rat der Volksbeauftragten“ bestimmen sollten. Dieser Rat sollte die Regierung Ebert ersetzen.
Die MSPD-Führung bekam Wind davon und tat alles, um diese Wähler für sich zu gewinnen. Mit Erfolg: Auf der Versammlung am Nachmittag des 10. November waren ihre Anhänger in der Mehrheit, und eine überwältigende Mehrheit der Delegierten wollte Einigkeit unter den Arbeiterparteien. Mit eben diesem Ruf „Einigkeit“ schrien sie Karl Liebknecht nieder. Der „Rat der Volksbeauftragten“ wurde gewählt, paritätisch besetzt mit je drei Vertretern der MSPD und der USPD. Die Revolutionären Obleute drückten noch einen Vollzugsrat durch, der die Arbeit des Rates kontrollieren sollte. Ebert hatte sich behauptet, doch er hatte auch verloren. Er war jetzt nicht mehr Reichskanzler, sondern Volksbeauftragter – an der Spitze einer Revolution, die er nicht gewollt hatte.
Ebert-Groener-Pakt
Am späten Abend dieses turbulenten Tages klingelte das Telefon in der Reichskanzlei. Es war General Groener. „Hier General Groener!“ Der Feldmarschall und ich erkennen Ihre Regierung an.“ Der General sicherte der neuen Regierung die Loyalität der Reichswehr zu, sofern sie gemeinsam gegen Bolschewismus, Chaos und Revolution kämpften. Dafür verlangte er Eberts Garantie, dass die Befehlsgewalt über die Truppen bei der OHL verblieb.
In der Tat war die Lage unsicher. Der Spartakusbund war klein, doch Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg waren populäre und charismatische Persönlichkeiten, unzählige Menschen hörten ihnen zu. „Die ganze Macht den Arbeiter- und Soldatenräten!“ forderte die Rote Fahne, die Zeitung des Spartakusbundes. Niemand konnte sicher sagen, wie stark die radikale Linke wirklich war.
Russland und Lenin waren ein warnendes Beispiel. Die Bolschewiki waren nie die Mehrheit, hatten die Macht mit Gewalt an sich gerissen, die Zarenfamilie umgebracht und das Land in einen Bürgerkrieg gestürzt. Um Deutschland das zu ersparen, wollte Ebert mit den bürgerlichen Parteien zusammenarbeiten und die alten Eliten für den demokratischen Staat gewinnen.
Revolutionäre und konterrevolutionäre Truppen in Berlin
Viele Menschen trugen Waffen. In Berlin wurde im November die Volksmarinedivision aus revolutionären Matrosen gebildet und dem Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn (USPD) als bewaffnete Ordnungsmacht unterstellt. Eine Abteilung bewachte u.a. die Reichskanzlei.
Auch Reichswehrtruppen standen in Berlin. Viele Soldaten waren verbittert und republikfeindlich, denn ihrer Meinung nach waren die Sozialisten dem Heer in den Rücken gefallen und schuld an der Niederlage. Als am 6. Dezember ein Demonstrationszug der Linken durch Berlin zog, schossen die Soldaten ohne Vorwarnung in die Menge, dabei wurden 14 Menschen getötet.
Am 10. Dezember 1918 marschierten heimkehrende Fronttruppen mit den schwarz-weiß-roten Fahnen des Kaiserreichs durch das Brandenburger Tor in Berlin ein. Reichskanzler Ebert begrüßte sie mit einer von der OHL verfassten Rede. „Eure Opfer und Taten sind ohne Beispiel. Kein Feind hat Euch überwunden. Erst als die Übermacht der Gegner an Menschen und Material immer drückender wurde, haben wir den Kampf aufgegeben“, rief er den Soldaten zu.
In Berlin hielten sich nun bewaffnete revolutionstreue und gegenrevolutionäre Truppen auf, wenngleich letztere ihre wahren Absichten hinter einem Zweckbündnis mit der MSPD gegen einen spartakistischen Umsturz versteckten.
Parlamentarische Demokratie oder Rätepublik?
Die Vorstellungen von der künftigen Staatsform und Wirtschaftsordnung Deutschlands gingen weit auseinander. Ebert und die Mehrheit der MSPD-Anhänger wollten so bald wie möglich eine Nationalversammlung wählen, die dann über die Verfassung der neuen Republik und auch über die Sozialisierung wichtiger Industrien entscheiden sollte.
Viele USPD-Politiker und andere Linke hingegen wollten eine Räterepublik; und sie wollten Schlüsselindustrien wie den Bergbau so bald als möglich sozialisieren. Das wiederum alarmierte sowohl die Großindustrie als auch die Gewerkschaften. Am 15. November schlossen der Industrielle Hugo Stinnes und der Gewerkschafter Carl Legien ein Abkommen, in dem die Gewerkschaften einen geordneten Produktionsverlauf und die Arbeitgeber den Achtstundentag und den Alleinvertretungsanspruch der Gewerkschaften garantierten. Damit war die Sozialisierung von Industriebetrieben unterlaufen.
Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte
Vom 16. bis 20. Dezember 1918 kam in Berlin der Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte zusammen, zu dem alle Räte im ganzen Land Delegierte entsandt hatten. Ebert und General Groener wollten ihn verhindern, dabei fielen Schüsse. Doch das wäre gar nicht nötig gewesen, denn die Mehrheit der Räte waren gemäßigt, oft SPD-Anhänger. Sie verstanden ihre Tätigkeit als Übergangslösung im Dienste einer neuen, demokratischen Ordnung. Der Spartakusbund war nicht einmal beratend zugelassen.
Mit großer Mehrheit stimmten die Räte am 10. Dezember für freie Wahlen zur Nationalversammlung, gegen die Räterepublik. Sie erkannten den Rat der Volksbeauftragten als Regierung an.
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