Heiliges Römisches Reich, 1197/98. Der plötzliche Tod Kaiser Heinrichs VI. 1197 in Sizilien stürzte das Reich ins Chaos. In Sizilien brach die Stauferherrschaft zusammen.
Die Doppelwahl
In Deutschland drängten die Anhänger der Staufer Heinrichs jüngeren Bruder Philipp von Schwaben, anstelle seines kleinen Neffen Friedrich im fernen Sizilien die Nachfolge anzutreten. Am 8. März 1198 wählten sie ihn zum König. Im September 1198 wurde gekrönt – mit den richtigen Krönungsinsignien, aber am falschen Ort. Die Wahl Philipps rief den Kölner Erzbischof Adolf I. von Altena auf den Plan, der von einer staufischen Erbmonarchie gar nichts hielt.
Nun suchte er nach einem Gegenkandidaten, und nach einigem Hin und Her einigte man sich auf Otto, den dritten Sohn Heinrichs des Löwen. Sein Onkel Richard I. Löwenherz hatte ihn ins Spiel gebracht. Hinter Ottos Wahl standen die mächtigen Kölner Händler, denen an guten Geschäftsbeziehungen mit England gelegen war, und Adolf wiederum brauchte ihr Geld. Zudem hatte Otto er in Deutschland kaum Rückhalt und schien nicht mächtig genug, als dass er die Kreise des machtbewussten Erzbischofs und der anderen Fürsten hätte stören können. Am 9. Juni 1198 wurde er von den anti-staufisch gesinnten Fürsten in Köln gewählt und im Juli in Aachen von Erzbischof Adolf I. gekrönt. Das war am richtigen Ort, doch mit den falschen Krönungsinsignien.
Papst Innozenz III.
Auch Papst Innozenz III. war ein Machtpolitiker. Überzeugt, dass ihm allein die Entscheidung zustand, verhandelte er mit beiden Seiten. Der Staufer Philipp war nicht bereit, ihm Sizilien und Süditalien zu überlassen, denn das sah er ganz anders seine verstorbene Schwägerin, die Normannin Konstanze. Ottos Sache wurde in Rom von Bruno von Sayn vertreten. Schließlich erklärte Papst Innozenz III. Otto zum rechtmäßigen Herrscher und bannte Philipp und seine Anhänger.
Otto IV.
Verglichen mit den Staufern wird über Otto IV. wenig berichtet – und wenn, dann eher negativ. Doch damit tut man ihm Unrecht. Als Bub hatte er seinem Vater in die Verbannung folgen müssen, er war am englischen Hof in England und Westfrankreich aufgewachsen. Ganz besonders nah stand er Richard Löwenherz. Er hatte zu den Geiseln gehört, die Richard nach seiner Freilassung hatte stellen müssen.
Otto war ein fähiger Kriegsherr, das hatte er von Richard Löwenherz gelernt. Stets kämpfte er an vorderster Front, wurde mehrfach schwer verwundet, doch er war nicht grausam. So machte er keinen Gebrauch von dem „Kaiserrecht“, zur Vergeltung ganze Städte zu zerstören, und verhinderte oft genug Ausschreitungen seiner Truppen. Vor allem aber war Otto ein Ritter, und von ihm zum Ritter geschlagen zu werden, galt als besondere Ehre.
Der Krieg um den Thron bricht aus
Längst ging es um mehr als nur die deutsche Krone. Otto wurde von Richard Löwenherz unterstützt, Philipp war mit Frankreich verbündet. Zudem lagen England und Frankreich im Krieg gegeneinander um die Festlandsbesitzungen der Plantagenets.
Der nun folgende Krieg um den Thron von 1198-1208 verwüstete das Land; auch das Rheinland wurde schwer heimgesucht. Caesarius von Heisterbach schrieb: „In dem Jahr, als König Philipp zum ersten Mal das Kölner Sprengel verheerte ..“ Das war 1198.
Walthers Spruchdichtung
„Ich saz ûf eime steine und dahte bein mit beine, dar ûf satzt ich den ellenbogen; ich hete in mîne hant gesmogen mîn kinne und ein mîn wange“. Diese Zeilen aus Walter von der Vogelweides „Reichston“ gehören sicher zu seinen bekanntesten. In drei Sprüchen beklagt Walther die Rechtsunsicherheit jener Jahre, den verheerenden Krieg um den Thron und die Anmaßung des Papstes.
Neben Minneliedern ist uns von Walther auch politische Dichtung überliefert. Walter war Berufssänger, er lebte davon, dass die Fürsten ihm Aufträge gaben und ihn gut entlohnten. Zunächst stand er im Dienst Philipps und berichtete vom feierlichen Auftritt Philipps und seiner byzantinischen Gattin Irene zum Weihnachtsfest 1199 in Magdeburg. Später hat Walther auch für Otto IV. gedichtet, im „Ottenton“, noch später für Friedrich II. Wie er wirklich empfand, können wir heute nicht mehr sagen.
Dreikönigenschrein
Um 1202/03 konnte Otto IV. seine Position stärken. In dieser Zeit stiftete er Gold und Edelsteine für den Dreikönigenschrein in Köln. Dabei ließ er sich selbst auf der Stirnseite abbilden. Otto war tief religiös, zugleich ist es eine politische Aussage: „Ich bin der gewählte und gekrönte König, und ich habe eine hohe Auffassung von meinem Königtum.“
Doch in den folgenden Jahren wendete sich das Blatt gegen ihn. Richard Löwenherz war im Krieg umgekommen, und sein Nachfolger, König Johann „Ohneland“, unterstützt Otto nur halbherzig. Bündnisse wurden gebrochen, sogar Ottos Bruder Pfalzgraf Heinrich verließ ihn.
Mord in Bamberg
Ottos Lage schien aussichtslos. Der Papst nahm Verhandlungen mit Philipp auf und löste ihn 1207 vom Bann. Endlich wurde Bruno von Sayn freigelassen, aber im Erzbistum Köln erkannte ihn Adolf immer noch nicht an. Gezeichnet von den Strapazen seiner langen Gefangenschaft, musste sich Bruno zum Papst nach Rom begeben. Er wurde in seinem Amt bestätigt, und endlich unterwarf sich Adolf. Die Quellen berichten von einer „triumphalen Rückkehr“ Brunos. Auch er suchte den Ausgleich, und vielleicht hätte die Familie etwas Frieden finden können, doch Bruno starb wenig später im November 1207 in Blankenberg.
1208 schien Ottos Königtum am Ende. Schon liefen die Vorbereitungen für einen Feldzug, der den Thronstreit ein für alle Mal entscheiden sollte. Doch dann wurde Philipp im Juni 1208 in Bamberg ermordet. Die Staufer und Otto verfolgten den Täter und seine Helfer und brachten sie zur Strecke. Otto wurde nun allgemein anerkannt, als Geste der Versöhnung verlobte er sich mit Philipps ältester Tochter Beatrix.
Kaiser Otto IV.
Artus, Parzival und eine Steuerreform
Ottos bewegtes Leben wird ihm nicht viel Muße gelassen haben. Und doch war er Bauherr, Stifter und vielleicht auch Dichter und Vortragender. Es muss eine anregende Zeit gewesen sein mit dem kulturellen Austausch zwischen dem englischen, französischen, flämisch-brabantischem und dem deutschen Kulturraum. Zudem hatten die Kreuzzüge den Kontakt zu anderen Religionen, Kulturen und Lebenssitten gebracht. Vielleicht kannte man an Ottos Hof schon das zwischen 1190 und 1210 entstandene Nibelungenlied. In jenen Jahren schrieb Wolfram von Eschenbach am Parzival, Gottfried von Straßburg am Tristan.
Der legendäre König Artus und seine Tafelrunde waren die Helden der höfischen Literatur. Innovative Ideen kamen auf, so eine Steuerreform, die auch den Reichtum der hohen Geistlichkeit im Auge hatte, eine Expedition nach Palästina zur Vorbereitung eines Kreuzzugs, und neue Militärtechnik. Schließlich tat Otto viel für Braunschweig, die Stadt seines Vaters, die im Lauf der Jahre auch die seine wurde.
Kaiserkrönung in Rom
Am 25. Juli 1209 brach Otto IV. mit einer großen Heerschar vom Lechfeld in Augsburg nach Rom auf. Am 4. Oktober 1209 krönte ihn Papst Innozenz III. in Rom zum Kaiser. Das alles folgte einem fest formalisierten Rhythmus von Demutsgesten seitens des künftigen Kaisers und Hulderweisungen des Papstes. Man gäbe etwas darum zu wissen, wie beide in dem Moment wirklich empfanden. Einen Anhaltspunkt gibt uns Ottos neues Siegel: es zeigt ihn als thronenden Herrscher, Sonne und Mond neben seinem Kopf. Sein Kaisertum verdankt er der Gnade Gottes, nicht der des Papstes.
Der Kaiser wird exkommuniziert
Nach seiner Kaiserkrönung blieb Otto IV. in Italien und schickte sich an, Süditalien und Sizilien für das Reich zurückzugewinnen. Als Kaiser habe geschworen, für die Rechte des Reiches einzutreten, merkte er an, und dazu gehörten auch die Rechte des Reiches in Süditalien. Der Papst könnte nicht verlangen, dass er gegen seine kaiserlichen Pflichten handelte. Darüber kam es zum Bruch. „Es reut mich, diesen Menschen gemacht zu haben“, schrieb Innozenz III. In diesen Worten wird die ganze Unvereinbarkeit im Denken deutlich. Für Innozenz „macht“ der Papst die weltlichen Herrscher – für diese, egal ob Barbarossa, Heinrich VI., Otto IV. oder später Friedrich II., ist diese Dominanz des Papstes unerträglich, auch wenn sie nach einem guten Auskommen trachteten. Und auch Innozenz III. brach Versprechen.
Otto wurde exkommuniziert. Das war nicht nur eine persönliche Katastrophe für den tief religiösen Kaiser, sondern auch eine politische, denn einem exkommunizierten Kaiser schuldeten seine Untertanen keine Treue mehr. Ganz im Gegenteil, sie förderte den Widerstand gegen ihn. Der Papst hatte den Fürsten erlaubt, einen anderen Kaiser zu wählen, ja ihnen sogar Friedrich in Sizilien als geeigneten Kandidaten nahegelegt. Im September 1211 wurde Friedrich in Nürnberg von einigen Reichsfürsten gewählt. Ein erneuter Krieg um den Thron drohte.
Trotzdem rückte Otto in Italien weiter vor bis Kalabrien; im September 1211 erreichte er die Meerenge von Messina. Otto war kurz davor, nach Sizilien überzusetzen, als er die Nachricht von der Wahl Friedrichs erhielt. Sofort machte er kehrt und hastete eilig zurück, um seine Herrschaft zu retten. Im Frühjahr 1212 war Otto zurück in Deutschland, und es muss im wohl gelungen sein, seine Herrschaft einigermaßen wiederherzustellen.
Erzbischof Dietrich von Hengebach
Im Erzbistum Köln war nach dem Tod Brunos keine Ruhe eingekehrt. Erst auf energisches Drängen Ottos wurde im Dezember 1208 Dietrich von Hengebach gewählt. Er war ein treuer Anhänger Ottos und blieb es trotz des Kirchenbanns, und so traf dieser Bann 1212 auch ihn.
Caesarius von Heisterbach war nicht gut auf ihn zu sprechen. Am 15. Oktober 1210, dem Tag der Bonner Stadtpatrone Cassius und Florentius, hatte der Erzbischof den Grundstein für die Godesburg gelegt. Caesarius war empört, denn auf dem Godesberg befand sich eine Kapelle des Erzengels Michael, und bisher hatte es noch niemand gewagt, dort eine Burg zu bauen. Im „Dialogus“ erzählt Caesarius, wie der Erzengel selbst seine Reliquien auf den gegenüberliegenden Stromberg (Petersberg) gebracht haben soll – zu Caesarius‘ Ordensbrüdern wohlgemerkt.
Trotz des Banns zelebrierte der Erzbischof auch weiterhin die Messe, schließlich wurde er abgesetzt. Als Nachfolger wurde ausgerechnet Adolf von Altena eingesetzt, der alte Feind der Sayner Grafenfamilie.
Ist „Herr Kaiser“ noch willkommen?
Im März 1212 hielt Otto IV. in Frankfurt einen Hoftag ab. Auch Graf Heinrich III. von Sayn war unter den anwesenden Fürsten. „Herr Kaiser seid Ihr willkommen“ sang Walther von der Vogelweide auf diesem Hoftag. Doch da waren schon süddeutsche Adlige in Palermo, um Friedrich nach Deutschland zu holen. Der nahm die Wahl an, ließ seinen kleinen Sohn Heinrich zum König von Sizilien krönen und ernannte seine Frau Konstanze zur Regentin. Im März 1212 brach er nach Deutschland auf. Ein zweiter Krieg um den Thron stand nun bevor. Im Juli heirate Otto Beatrix von Staufen. Sie starb schon wenige Wochen später, kaum dem Kindesalter entwachsen. Für Otto war das auch eine politische Katastrophe, denn nun fielen die Anhänger der Staufer von ihm ab.
Nach einem abenteuerlichen Weg durch Italien betrat Friedrich im September 1212 zum ersten Mal deutschen Boden. In den kommenden Monaten setzte er sich ohne größere Gegenwehr im süddeutschen Raum durch. Im Dezember 1212 wurde er in Frankfurt von den stauferfreundlichen Fürsten zum König gewählt und in Mainz gekrönt. Doch das war der falsche Ort, denn der richtige Krönungsort Aachen und auch die Krönungsinsignien befanden sich in Ottos Hand. Militärisch war Friedrich nicht stark genug und es sah so aus, als bliebe Deutschland zwischen den Welfen im Norden und den Staufern im Süden geteilt.
In unserer Region
Die folgende tabellarische Übersicht bietet Ihnen einen kompakten Überblick. Wenn Sie die Zeit der Burgen aus der Perspektive ihrer einstigen Bewohner erleben möchten, sei Ihnen das Kapitel Die Herren vom Siebengebirge ans Herz gelegt.
1198-1208 | Die Grafen von Sayn standen von Anfang an entschieden auf der Seite Ottos. Bei seiner Krönung 1198 in Aachen waren sie dabei, Bruno von Sayn vertrat Ottos Sache bei Papst Innozenz III. in Rom. Beide blieben Otto zeitlebends verbunden. Otto IV. hob 1202 in ungewöhnlicher Form die Verdienste Heinrichs II. hervor. |
Um 1200 | Doch die nächsten Jahre wurden sehr hart für die Familie. Graf Heinrich II. und Eberhard II. gerieten in eine fürchterliche Fehde mit Dietrich von Landsberg, der den an saynisches Gebiet angrenzenden thüringischen Besitz hielt und ein Anhänger der Staufer war. Sie wurden gefangen genommen und starben wenig später. Vermutlich in jenen Jahren entstand die Burg auf der Löwenburg, zunächst war es ein einfaches Gebäude. Anders als beim Drachenfels haben wir aber keine Daten von der Löwenburg, sie taucht erst 1248 in einem Dokument aus. |
1205 | Der junge Graf Heinrich III. erscheint in den historischen Quellen. Er war ein entschiedener Streiter für seinen Onkel und Otto IV. |
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